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04.05.08: Themenspecial - Nach Bundestagsbeschluss zur Stammzellgesetz-Änderung: Bayern plant Anrufung des Vermittlungsausschusses

Aktualisiert 23.05.08

Gut drei Wochen nach dem Bundestagsbeschluss zu einer Änderung des Stammzellgesetzes am 11.04.08 (siehe das Themenspecial) will Bayern den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag anrufen, um eine Stichtagsverschiebung zu verhindern. Die bayerische CSU-Landesregierung hat dazu am 29.04.08 laut einem Bericht der FAZ vom 30.04.08 beschlossen, einen entsprechenden Antrag im Bundesrat einzubringen. Der Bericht wurde auf eigene Nachfrage von der Pressestelle der Staatskanzlei indirekt bestätigt. Mit diesem Vorstoß kommt erneut nach einer kurzen Ruhepause erhebliche Bewegung in die Stammzellendebatte. Denn mit Anrufung des Vermittlungsausschusses könnte möglicherweise der Bundestagsbeschluss gekippt werden, wenn auch die Chancen dazu sehr gering sind (mehr dazu in der Bewertung des Vorstoßes unten).

Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) hatte bereits vor der Bundestagsentscheidung im Fall einer Stichtagsverschiebung erwogen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Zur Begründung erklärte er, Wissenschaft dürfe nicht alles, was man könne. Dabei berief er sich auch auf die ablehnende Haltung der Kirchen gegenüber der Forschung mit embryonalen Stammzellen. Die Abgeordneten Bundestages hatten am 11. April bei aufgehobenem Fraktionszwang in namentlicher Abstimmung mit 346 Ja-Stimmen, 228 Nein-Stimmen bei 6 Enthaltungen mehrheitlich für eine Stichtagsverschiebung im Stammzellgesetz gestimmt. Bislang war die Forschung nur an embryonalen Stammzellen erlaubt, die vor dem 1. Januar 2002 im Ausland gewonnen wurden. Dieser Stichtag wird nun auf den 1. Mai 2007 verschoben, um den Forschern Zugang zu neueren Zelllinien zu ermöglichen. Zugleich wurde aus dem Gesetz die Strafandrohung für deutsche Wissenschaftler, die an internationalen Forschungsprojekten mitarbeiten, gestrichen.

Der stellvertretende forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, René Röspel, auf dessen Vorstoß maßgeblich der Bundestagsbeschluss zurückging, übte harsche Kritik an dem bayerischen Vorhaben. "Die Pläne Bayerns, im Bundesrat einen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses zur Beratung der Änderung des Stammzellgesetzes einzubringen, stellen eine bislang einzigartige Missachtung der Gewissensentscheidung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages aus offensichtlich allein parteipolitischen Gründen dar", erklärte Röspel in einer Pressemitteilung vom 2. Mai. Er warf der CSU-Landesregierung vor, die Gewissensentscheidung des Bundestags vor dem Hintergrund der Landtagswahl im September und innerparteilichen Problemen zu instrumentalisieren. Dabei erinnerte der SPD-Abgeordnete daran, dass auch 19 Mitglieder und damit fast die Hälfte der CSU-Landesgruppe im Bundestag für die Stichtagsverschiebung gestimmt haben. Das Meinungsbild in der CSU sei somit in dieser Frage "erheblich gespaltener als Ministerpräsident Beckstein es gerne hätte." Völlig unklar sei auch, welches inhaltliche Ziel mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses erreicht werden soll. "Will Bayern eine Gewissensentscheidung der Bundestagsabgeordneten zu einer Verhandlungsmasse degradieren? Wünscht sich Beckstein ein Vetorecht bei ethischen Fragen? Die bayerische Landesregierung sollte besser auf dieses durchsichtige Ablenkungsmanöver verzichten", erklärte Röspel abschließend.
 

Hintergrund zum Verfahren im Vermittlungsausschuss und Bewertung des bayerischen Vorstoßes

Die Anrufung des Vermittlungsausschusses in Bezug auf den Bundestagsbeschluss zur Änderung des Stammzellgesetzes könnte durchaus interessant werden, wenn auch die Erfolgsaussichten gering sind, angesichts des komplizierten Vermittlungsverfahrens. Nachfolgend der Verfahrensablauf im Vermittlungsausschuss mit Erläuterungen vor dem Hintergrund der aktuellen und vergangenen Debatte mit Bewertung des bayerischen Vorstoßes.

Der Vermittlungsausschuss ist laut Definition des Deutschen Bundestages ein Gremium, das zwischen Bundestag und Bundesrat fungiert. Es besteht aus 16 Mitgliedern des Bundesrates und ebenso vielen Mitgliedern des Bundestages, die entsprechend den Fraktionsstärken benannt sind. Aufgabe des Vermittlungsausschusses ist es, einen Konsens zwischen Bundestag und Bundesrat zu finden, wenn vom Bundestag beschlossene Gesetze im Bundesrat keine Mehrheit finden. Weichen Beschlüsse des Vermittlungsausschusses von denen des Bundestages ab, ist eine erneute Beschlussfassung im Bundestag erforderlich. Details zum Verfahren im Vermittlungsausschuss regelt das Grundgesetz (GG), Artikel 77, und eine gemeinsame Geschäftsordnung von Bundestag und Bundesrat. Wichtig für die folgenden Abläufe ist, dass es sich beim Stammzellgesetz um ein Bundesgesetz handelt, für dessen Änderung die Zustimmung des Bundesrates nicht notwendig ist.

Verfahren im Vermittlungsausschuss

In Artikel 77 (GG) heißt es:

"(1) Die Bundesgesetze werden vom Bundestage beschlossen. Sie sind nach ihrer Annahme durch den Präsidenten des Bundestages unverzüglich dem Bundesrate zuzuleiten.

(2) Der Bundesrat kann binnen drei Wochen nach Eingang des Gesetzesbeschlusses verlangen, daß ein aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates für die gemeinsame Beratung von Vorlagen gebildeter Ausschuß einberufen wird. (Anm. C.F.: Der Vermittlungsausschuss) (…) Die in diesen Ausschuß entsandten Mitglieder des Bundesrates sind nicht an Weisungen gebunden. (…) Schlägt der Ausschuß eine Änderung des Gesetzesbeschlusses vor, so hat der Bundestag erneut Beschluß zu fassen.

(2a) Soweit zu einem Gesetz die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist, hat der Bundesrat, wenn ein Verlangen nach Absatz 2 Satz 1 nicht gestellt oder das Vermittlungsverfahren ohne einen Vorschlag zur Änderung des Gesetzesbeschlusses beendet ist, in angemessener Frist über die Zustimmung Beschluß zu fassen.

(3) Soweit zu einem Gesetze die Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich ist, kann der Bundesrat, wenn das Verfahren nach Absatz 2 beendigt ist, gegen ein vom Bundestage beschlossenes Gesetz binnen zwei Wochen Einspruch einlegen. Die Einspruchsfrist beginnt im Falle des Absatzes 2 letzter Satz mit dem Eingange des vom Bundestage erneut gefaßten Beschlusses, in allen anderen Fällen mit dem Eingange der Mitteilung des Vorsitzenden des in Absatz 2 vorgesehenen Ausschusses, daß das Verfahren vor dem Ausschusse abgeschlossen ist.

(4) Wird der Einspruch mit der Mehrheit der Stimmen des Bundesrates beschlossen, so kann er durch Beschluß der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zurückgewiesen werden. Hat der Bundesrat den Einspruch mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln seiner Stimmen beschlossen, so bedarf die Zurückweisung durch den Bundestag einer Mehrheit von zwei Dritteln, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages."

In Artikel 78 (GG) heißt es:

Ein vom Bundestage beschlossenes Gesetz kommt zustande, wenn der Bundesrat zustimmt, den Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 nicht stellt, innerhalb der Frist des Artikels 77 Absatz 3 keinen Einspruch einlegt oder ihn zurücknimmt oder wenn der Einspruch vom Bundestage überstimmt wird.

Quelle: Gesetzliche Grundlage des Vermittlungsausschusses - Artikel 77 des Grundgesetzes

Erfolgsaussichten - ohne Gewähr

In der aktuellen Besetzung des Vermittlungsausschusses mit je 16 Bundestagsabgeordneten und 16 Bundesratsmitgliedern haben am 11. April 10 von 16 Abgeordneten, die ordentliches Mitglied im Vermittlungsausschuss sind, für eine Stichtagsverschiebung gestimmt, im gleichen Verhältnis auch die stellvertretenden Ausschussmitglieder. Bei den Ausschussmitgliedern des Bundesrates konnte jedoch trotz intensiver Recherche zu Äußerungen der einzelnen Minister in Bezug auf eine Änderung des Stammzellgesetz keine klaren Tendenzen ausgemacht werden. Insofern ist hier eine Prognose zu den Bundesratsmitgliedern nicht möglich. Weitere Unwägbarkeiten sind die An- bzw. Abwesenheit einzelner Ausschussmitglieder. Zur Beschlussfähigkeit sind laut gemeinsamer Geschäftsordnung mindestens 12 Mitglieder notwendig. Ein Einigungsvorschlag kann nur beschlossen werden, wenn mindestens je sieben Mitglieder des Bundestages und des Bundesrates anwesend sind. Wie die Beschlüsse im Vermittlungsausschuss ausfallen, ist daher völlig offen.

Bei der Bundestagsabstimmung am 11. April wurde von der großen Mehrheit aller abstimmenden Abgeordneten mit 59,7% zu 39,3% eine Stichtagsverschiebung im Stammzellgesetz befürwortet. D.h. damit die Novellierung des Stammzellgesetzes gestoppt werden kann, ist voraussichtlich im Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig, da andernfalls der Bundestag den Einspruch mit einfacher Mehrheit abweisen könnte. Nur so bestünde die Chance auf einen Erfolg, da dem Bundestag unter Berücksichtigung des Abstimmungsergebnisses vom 11. April noch knapp 7 % zu einer Zwei-Drittel-Mehrheit fehlen würden, um ein mögliches Veto zu überstimmen.

Fazit: Die Stammzelldebatte ist noch nicht entschieden und es wird bis zu einer endgültigen Entscheidung noch einige Zeit dauern. Vorausgesetzt, Bayern rückt nicht doch kurzfristig von seinen Plänen ab. Es besteht somit noch ein Funken Hoffnung auf eine Beibehaltung der alten Stichtagsregelung. Wir werden an dieser Stelle weiter den Gang des Verfahrens verfolgen und berichten.

Bemerkenswerterweise ordern trotz anstehender Gesetzesänderung renommierte Stammzellforscher die alten - nach eigenen Angaben angeblich unbrauchbaren - Stammzellen. Die letzte Import-Genehmigung ging laut Robert-Koch-Institut, der zuständigen Genehmigungsbehörde, am 30. April an Prof. Jürgen Hescheler für fünf der weltältesten Stammzelllinien. Insgesamt waren es seit in Kraft treten des Stammzellgesetzes zum 1. Juli 2002 bis heute 31 Importgenehmigungen. Allein seit Januar dieses Jahres sind in dreieinhalb Monaten acht neue Importgenehmigungen für die "alten" Linien erteilt worden.

Aktualisierung 23.05.08: Bundesratsinitiative gescheitert!

Am 23.05.08 stand das Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes als TOP 2 auf der Tagesordung des Bundesrates. Laut Pressemitteilung des Bundesrates wurde der Vorstoß Bayerns und des Saarlandes zur Anrufung des Vermittlungsausschusses von der Länderkammer mehrheitlich abgelehnt. Damit ist die Änderung des Stammzellgestzes endgültig durch und das Gesetz kann nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt werden. Dass der Bundespräsident seine Unterschrift verweigert, ist nicht anzunehmen. Mehr zum Bundesratsbeschluss unten in den verlinkten Presseartikeln.
 

Dokumente für den Bundesrat

Weiterführende Informationen zum Vermittlungsausschuss

Hintergrundinfos zu vorangegangenen Stammzellen-Debatten im Bundestag

  • 11.04.08: Bundestag stimmt für Stichtags-Änderung im Stammzellgesetz

    Am 11.04.08 wurde im Deutschen Bundestag ab 9 Uhr zwei Stunden über eine Novellierung des Stammzellengesetzes debattiert. Danach folgte die namentliche Abstimmung über die vorliegenden Gesetzentwürfe. In der Schlussabstimmung wurde mehrheitlich mit 346-Ja-Stimmen zu 228 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen der Antrag für eine einmalige Verschiebung des Stichtages im Stammzellgesetz angenommen. Nachfolgend finden Sie ein ausführliches Themenspecial zur Debatte mit allen Gesetzentwürfen, Plenarprotokoll mit namentlichen Abstimmungsergebnissen und einem umfangreichen Pressespiegel ab Beginn der Debatte Anfang November 2007 bis Ende April 2008.

    Zum Themenspecial zur Bundestags-Abstimmung über die Novellierung des Stammzellgesetzes am 11.04.08...
     

  • 07.03.08: Bundestag-Ausschussanhörung am 03.03.08 zur Stammzellgesetz-Änderung

    Am 03.03.08 gab es im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages eine fünfstündige Expertenanhörung zur möglichen Änderung des Stammzellgesetzes. Zur Debatte standen vier Gesetzentwürfe und ein Antrag, die bereits in einer Bundestagsdebatte am 14. Februar ausführlich diskutiert wurden (siehe unten). Hierzu sollten die Experten vorab schriftlich anhand von Leitfragen Stellung beziehen. In der Anhörung hatten die Abgeordneten dann Gelegenheit, weitere Fragen zu stellen.
    Zur Anhörung gibt es ein kurzes Themenspecial mit ausführlichen Infos, allen Dokumenten und Pressespiegel.

    Zum Themenspecial Bundestag-Ausschussanhörung am 03.03.08 zur Stammzellgesetz-Änderung...
     

  • 15.02.08: Debatte um Novellierung des Stammzellgesetzes

    In einer fast vierstündigen Grundsatzdebatte befasste sich der Bundestag am 14. Februar 2008 mit der Zukunft der Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen in Deutschland und einer möglichen Änderung des Stammzellgesetzes. Hierzu liegen dem Bundestag vier Gesetzentwürfe und ein Antrag vor. Auf der Webseite des Bundestages finden Sie alle Infos zur Debatte inklusive der zugehörigen Dokumente.

    PDF Auszug aus dem Plenarprotokoll der Debatte zum Stammzellgesetz im Deutschen Bundestag am 14.02.08
    57 Seiten (480kb) im PDF-Format

    Mehr zur anstehenden Debatte zur Novellierung des Stammzellgesetzes im im laufenden Pressepiegel.


     
  • 10.05.07: Themenspecial zur Ausschuss-Anhörung im Deutschen Bundestag zur Stammzellenforschung am 09.05.07

    Nach stetigen Vorstößen von Seiten der Forscher und vereinzelt aus der Politik hin zu einer Lockerung des bestehenden Stammzellgesetzes gab es am 9. Mai im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung eine öffentliche Anhörung zur Stammzellforschung. Geladen waren 24 Sachverständige, die sich in drei Themenblöcken zur rechtlichen und ethischen Bewertung der Stammzellforschung sowie deren aktuellen Stand äußerten. Damit bekommt die Stammzelledebatte neuen Auftrieb. Wir haben dazu ein umfangreiches Themenspecial mit Dokumenten und Pressespiegel zusammengestellt.

    Zum Themenspecial zur Ausschuss-Anhörung zur Stammzellenforschung am 09.05.07...
     

Pressespiegel zur Bundesratsentscheidung über eine Änderung des Stammzellgesetzes

Bundesrat billigt Gesetze
In seiner heutigen Sitzung hat der Bundesrat zahlreiche Gesetzesbeschlüsse des Deutschen Bundestages akzeptiert, so dass diese nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt werden können.
PRESSEMITTEILUNG Bundesrat 23.05.08
Anm.: Unter anderem wurde auch die Änderung des Stammzellgestzes gebilligt.

Stammzellengesetz durchgewunken
Die Länderkammer billigt die Stichtagsverschiebung - damit dürfen Forscher künftig embryonale Stammzellen aus dem Ausland einführen, die vor dem 1. Mai 2007 entstanden sind. Bayerns Bedenken bleiben indes ungehört.
Von Helmut Stoltenberg
TAGESSPIEGEL 23.05.08

Vorschriften für Stammzellforschung gelockert
Bundesrat billigt Novelle - Bayern scheitert
ZDFheute.de 23.05.08

Bundesrats-Beschluss: Regeln für Stammzellen-Forschung werden gelockert
Erleichterung für Stammzellenforscher: Wissenschaftler in Deutschland erhalten mehr Spielraum für die Forschung. Die Einwände aus Bayern und dem Saarland fanden im Bundesrat keine Mehrheit.
SPIEGEL Online 23.05.08
 

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